Seminar Kommutative Algebra
Inhalt: Vertiefung und Erweiterung im Bereich Algebra.
Weiterführende Themen, insbesondere Anwendungen von
Inhalten aus den Vorlesungen Computeralgebra, Algebra,
Kommutative Algebra.
Ziel: Neben der Vermittlung der eigentlichen mathematischen
Inhalte steht bei einem Seminar das
eigenständige wissenschaftliche Arbeiten im Vordergrund.
Die Teilnehmer erhalten einen mathematischen Text (typischerweise
eine Originalarbeit oder ein Abschnitt aus einer Monographie) und sollen sich
diesen weitgehend selbständig erarbeiten (mit
Hilfestellung, falls notwendig). Aus dem Stoff muss dann ein
Vortrag von 60 Minuten konzipiert und gehalten werden.
Beim Erstellen des Handouts und der schriftlichen Ausarbeitung mit
LaTeX
werden Erfahrungen gesammelt, die beim Verfassen der
Abschlussarbeit von Nutzen sind.
Themen:
- Semi-algebraische Mengen und der Satz von Tarski-Seidenberg
Eine algebraische Menge ist eine Lösungsmenge eines
algebraischen Gleichungssystems, z.B. die Kreislinie als
Lösungsmenge von x^2+y^2=1 in R^2. Semi-algebraische Mengen
sind durch polynomielle Gleichungen und Ungleichungen gegeben,
also etwa die Kreisscheibe x^2+y^2<=1 in R^2. Der Satz von T.-S.
besagt, dass Projektionen semi-algebraischer Mengen wieder
semi-algebraische Mengen sind. Projiziert man etwa die Kreisscheibe
auf die x-Achse, so erhält man das Intervall [-1,1], welches
wieder semi-algebraisch ist (als Lösungsmenge von x^2<=1).
Hingegen sind Projektionen algebraischer Mengen i.A. nicht wieder
algebraisch, wie man am Beispiel der Kreislinie sieht, denn [-1,1]
ist nicht Nullstellenmenge eines Polynoms. Der Satz von T.-S. hat
weitreichende Folgerungen. Der hier vorzustellende Beweis beruht
auf der Vorzeichenregel von Descartes, einer Aussage über die
Anzahl der positiven Nullstellen eines reellen Polynoms.
- Jacobson-Form
Die Jacobson-Form ist ein nicht-kommutatives Analogon der
Smith-Form. Ist R ein Links- und Rechts-Euklidischer Bereich
(d.h., man hat eine rechte und linke Division mit Rest von a durch b,
a=q_1b+r_1=bq_2+r_2), so lässt sich jede Matrix mit Einträgen in
R durch elementare Zeilen- und Spaltenumformungen in Diagonalgestalt
bringen, wobei jeder Diagonaleintrag ein totaler Teiler des nächsten
ist (insbesondere sowohl ein linker als auch ein rechter Teiler).
Diese Theorie lässt sich beispielsweise auf den Ring der linearen
Differentialoperatoren mit rationalen Koeffizienten anwenden. Nutzt
man aus, dass dieser Ring einfach ist (d.h., die einzigen zweiseitigen
Ideale in R sind 0 und R), so kann man sogar zeigen, dass alle
Diagonaleinträge -
bis auf einen einzigen - nur 1 oder 0 sein können.
- Anwendung von Gröbner-Basen in der ganzzahligen
Optimierung
Ganzzahlige Optimierungsprobleme tauchen in zahlreichen Anwendungsbereichen
auf, insbesondere in der Wirtschaftsmathematik. Ein lineares Funktional c^Tx
soll unter Nebenbedingungen, die durch lineare Ungleichungen Ax<=b gegeben sind,
maximiert werden. Aus problemspezifischen Gründen interessiert man sich
nur für nicht-negative und ganzzahlige Lösungen x (die Komponenten
x_i repräsentieren etwa Stückzahlen oder 0/1-Entscheidungen).
Durch eine geschickte Umformulierung können solche Optimierungsaufgaben
auf die
Berechnung der Normalform eines Polynoms bzgl. eines
Polynomideals zurückgeführt werden. Letzteres ist eine
Standardanwendung der Theorie der Gröbner-Basen, wobei diese hier noch auf Laurent-Polynome
erweitert werden muss (also Polynome, in denen auch negative
Exponenten auftreten können).
- Anwendung von Gröbner-Basen beim automatischen Beweisen
geometrischer Sätze
"Die Diagonalen eines Parallelogramms halbieren einander."
Wie kann man eine derartige Aussage aus der elementaren
Geometrie mithilfe von Gröbner-Basen (GB) beweisen? Man macht sich klar,
dass sich Sachverhalte wie Parallelität und Orthogonalität von
Geraden,
Kollinearität von Punkten, Gleichheit von Längen etc.
durch polynomielle Gleichungen ausdrücken lassen. Die Frage,
ob eine solche Aussage aus einer gegebenen Menge anderer derartiger
Aussagen folgt, wird somit zur Frage nach der Zugehörigkeit eines
Polynoms zum Radikal eines
Polynomideals. Die Entscheidbarkeit von Idealmitgliedschaft ist bekanntlich
eine der Standardanwendungen der GB-Theorie.
Dank eines berühmten "Tricks" kann die
Radikalmitgliedschaft ebenfalls mithilfe von GB
entschieden werden.