§0 Worum geht es?
- Was ist
Mathematik? |
- Wozu
unterrichten wir Mathematik? (Ziele des
Mathematikunterrichts) |
|
|
® Mathematik
ist eine Tätigkeit. |
|
|
|
- Welche
Tätigkeit? |
|
|
|
® Mathematisches
Denken und Handeln. |
® Mathematisches Denken und Handeln
(Tätigkeiten) kennen lernen und erlernen. |
® Mathematisches
Denken: - Inhaltliche bzw. semantische Ebenen: 1.
Diskursebene 2.
Diskursebene 3.
Diskursebene 4.
Diskursebene - Formale bzw. symbolische bzw. syntaktische Ebene: 5. Diskursebene bzw.
Diskursebene S |
|
|
|
Es besteht eine enge Beziehung zwischen den
Diskursebenen 2 bis 4 und der symbolischen Diskursebene, wir wechseln ständig
zwischen diesen. Insbesondere kann ein elektronischer Rechner nur auf der
symbolischen Ebene arbeiten, ohne dass er hierbei die Bedeutung (die
Semantik) der mathematischen Symbole versteht. |
|
B.
Stoff:
In
der elementaren Zahlentheorie studieren wir Eigenschaften der Mengen N, Z
und Q. Im Vordergrund stehen hierbei insbesondere die ganzen Zahlen.
Dazu wollen wir zunächst der Frage nachgehen, was ganze Zahlen eigentlich sind.
Bei
der Betrachtung der ganzen Zahlen ist es zunächst notwendig, dass wir wissen
und verstehen, was natürliche Zahlen sind. Im Folgenden betrachten wir also die
Menge N der natürlichen Zahlen. (Wir werden bei der nachfolgenden
Konstruktion der natürlichen Zahlen nicht zu sehr ins Detail gehen, da es
hierzu eine separate Vorlesung gibt.)
1.
Diskursebene:
Auf
der ersten Diskursebene betrachten wir konkrete physikalische Objekte. Ein Kind
lernt an solchen bereits in der Vorschule das Zählen. Dazu lernt es die Zahlen
auswendig (wie einen Reim: eins, zwei, drei, vier, ...) und geht dann, indem es
den Reim aufsagt, von einem Objekt zum nächsten.
ein Apfel
eine
Birne
eine
Tomate
zwei Äpfel
zwei
Birnen
zwei
Tomaten
drei Äpfel
drei
Birnen
drei
Tomaten
vier Äpfel
vier
Tomaten
Im
nächsten Schritt lernt es in der Grundschule das Rechnen, ebenfalls an Hand von
solchen konkreten physikalischen Objekten.
|
+ |
|
= |
|
|
|
|
|
|
||
|
|
|
|
||
|
|
|
|
||
vier Äpfel |
+ |
drei Äpfel |
= |
sieben Äpfel |
Dazu
legt es diese Objekte nebeneinander und zählt die Gesamtzahl ab.
2.
Diskursebene:
Nun erfolgt auf der zweiten Diskursebene eine Abstraktion bzw. Idealisierung der physikalischen Ebene aus der 1. Diskursebene. An Stelle mit der Anzahl konkreter Gegenstände zu rechnen, verfährt es jetzt lediglich noch mit den Zahlen. Es erfolgt ein Übergang von den konkreten physikalischen Objekten zur Menge N der natürlichen Zahlen. Dies ist ein wichtiger Lernprozess eines Kindes, welcher erst einmal bewältigt werden muss. Denn woher weiß das Kind, dass zum Beispiel
4 + 3 = 7
ist?
Hierbei geht es in Gedanken nämlich zur 1. Diskursebene zurück: Anstelle der
abstrakten Zahlen wendet es sozusagen die „Definition“ an: Die Zahl 4 steht
etwa für vier Äpfel und die Zahl 3 für drei Äpfel. Dann rechnet es wie auf der
1. Diskursebene und zählt die Gesamtzahl der erhaltenen Objekte ab, in diesem
Fall also sieben Äpfel. Nun ist das Ergebnis ermittelt, das Kind weiß, dass 4 +
3 die Zahl 7 ergibt.
Diese
Abstraktion ist charakteristisch für die 2. Diskursebene. In der Geometrie
sprechen wir an Stelle von Abstraktion von der Idealisierung der vorliegenden
Objekte. Zwei sich an einer Stelle berührende gerade Striche auf der Tafel
werden etwa zu Geraden (unendlich dünn), welche sich in einem Punkt (unendlich
klein) schneiden.
Wie
lernt der Schüler bzw. die Grundschülerin das Multiplizieren? Wie bereits von
der Addition bekannt, erfolgt dies wieder durch das Abzählen, etwa ist 3 · 4
genau die Zahl welcher der Anzahl der Äpfel (1. Diskursebene) in einem Rechteck
aus drei Zeilen und vier Spalten entspricht:
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
drei · vier Äpfel = zwölf
Äpfel |
Insgesamt
lässt sich also die angeordnete algebraische Struktur der natürlichen Zahlen (N,
+, ·, <) bereits auf der physikalischen Ebene begründen.
3.
Diskursebene:
Nach einiger Zeit hat das Kind Erfahrungen gesammelt. Es kehrt dann beim Ausrechnen einfacher Terme nicht mehr zu den konkreten physikalischen Objekten zurück und fängt an zu zählen, stattdessen kann es das Ergebnis gleich angeben. Dieser Prozess des Sammelns von Erfahrungen kann auch erzwungen werden: So lernen Grundschüler etwa das kleine Ein-Mal-Eins auswendig, um langwierige Abzählungen zu vermeiden.
Auch
weiß ein Kind nach einiger Zeit, dass in (N, +, ·, <) das sogenannte
Distributivgesetz gilt, z.B. ist
(3 + 4) · 5 = 3 · 5 + 4 · 5.
Das
Kind pflegt also den Umgang mit den abstrahierten, idealisierten Objekten aus
der 2. Diskursebene, verwendet hierbei aber zwar abstrakte, aber sich selbst
bewusst gemachte Regeln. Es befindet sich auf der 3. Diskursebene. Diese
Diskursebene wird typischerweise in der Sekundarstufe I und II verwendet,
ansatzweise jedoch auch in der Primarstufe.
4.
Diskursebene:
Auf
der Hochschule werden die natürlichen Zahlen (einschließlich der Null) etwa wie
folgt eingeführt:
0 := |ø|,
1 := |{ø}|,
2 := |{ø, {ø}}|,
3 := |{ø, {ø}, {ø, {ø}}}|,
...
Um
diesen Zugang zu wählen, muss man aber zunächst wissen, was die leere Menge ø
ist bzw. was überhaupt Mengen sind. Letzen Endes führt uns dies zu der Frage
nach einem Axiomensystem. Was also sind geeignete Axiome für die natürlichen
Zahlen? Was wollen wir als undefinierte Grundbegriffe verwenden? Wir könnten
etwa die Additions-Operation + oder die Kleiner-Relation < verwenden. Oder
etwa die charakteristische Eigenschaft der natürlichen Zahlen, dass es zu jeder
natürlichen Zahl einen „Nachfolger“ gibt, der wieder eine natürliche Zahl ist. (Bezeichnet
etwa x’ den Nachfolger von x, so ist 4’ = 5.)
Dies
führte Anfang des 20. Jahrhunderts zu den sogenannten Peano-Axiomen für (N,
1, ’).
Nun
wissen wir also (auf der jeweiligen Diskursebene), was die natürlichen Zahlen
sind und wie wir mit ihnen rechnen können. Im Folgenden wollen wir also den
Übergang von den natürlichen Zahlen zu den ganzen Zahlen wagen. Bekanntlich ist
die Menge der ganzen Zahlen die Vereinigung aus der bekannten Menge der
natürlichen Zahlen (der Menge der positiven Zahlen), der 0 und der Menge der
negativen Zahlen:
Z = N ∪ {0} ∪ –N.
„Was sind aber negative Zahlen? Wozu brauchen wir negative Zahlen und was können wir uns unter diesen vorstellen?“, würde ein Schüler der Sekundarstufe I etwa fragen.
Im
Folgenden steht der unterrichtende Lehrer bzw. die unterrichtende Lehrerin vor
einem Problem, denn der Gang zur 1. Diskursebene ist in diesem Fall nicht ganz
einfach: Er/Sie kann die negativen Zahlen etwa an einem Thermometer oder an
einem Zahlenstrahl erklären. Aber was sind etwa –3 Äpfel? Auch an Hand von
Schulden (also etwas Fehlendem) oder Höhenunterschieden bezüglich einem
gewählten Nullpunkt bzw. einem Fahrstuhl lassen sich die negativen Zahlen durch
Beispiele aus dem alltäglichen Leben erklären.
Die
letzte Möglichkeit ist, dem Kind den Umgang mit den negativen Zahlen direkt an
Hand der Regeln zu erklären, ohne dass es überhaupt eine Vorstellung von den
negativen Zahlen bekommt: Es bekommt dann etwa gesagt, dass
(–2) · (–6) = +12
ist,
weil 2 · 6 = 12 ist und „–“ mal „–“ das Zeichen „+“ ergibt.
Auf
formaler Ebene werden die negativen Zahlen eingeführt als Zahlen, welche
Gleichungen wie
5 + ? = 4
oder
3 + ? = 1
lösen.
Aber
warum gilt nun
(–2) · (–6) = +12
wirklich?
Die Tatsache ist doch die, dass wir eine algebraische Struktur
(Z, +, ·, <) > (N, +, ·, <)
suchen,
in der die gewohnten Rechenregeln für N gelten. Sind also etwa (–2),
(–6) ∈ Z, so gilt
(–2) · (–6) = +12,
aus
folgendem Grund:
2 + (–2) = 0
ist
die Definition von (–2); multiplizieren wir diese Gleichung nun mit (–6), so
erhalten wir
(–12) + (–2) · (–6) = 0;
addieren
wir weiter (+12), so ergibt sich
(–2) · (–6) = +12.
(Anmerkung:
Wir haben hier bereits benutzt, dass 2 · (–6) = –12 ist, dies muss natürlich
zuerst gezeigt werden.)
In
der Schule zeigt man also, dass wir mit den ganzen Zahlen so rechnen können,
wie wir es von den natürlichen Zahlen gewohnt sind. Die Frage nach der Existenz
solcher Zahlen wird jedoch in der Schule nicht gestellt, man versucht die
Existenz an Hand der oben genannten Beispielen zu erklären.
Wählt
man wie auf der Hochschule den axiomatischen Zugang der 4. Diskursebene, so
kann man die Existenz ganzer Zahlen beweisen. Per Definition sind die ganzen
Zahlen solche, welche eine gewisse Sorte algebraischer Gleichungen lösen:
Zum
Beispiel ist (–3) die eindeutig bestimmte Lösung der Gleichung
8 + ? = 5
und
(–1) die von
6 + ? = 5,
aber
auch die von
5 + ? = 4.
Wir
können also sagen, das natürliche Zahlenpaar (8, 5) charakterisiert die
negative Zahl (–3). Wie wir weiter sehen, ist eine solche Charakterisierung einer
ganzen Zahl durch zwei natürliche Zahlen nicht eindeutig, so können wir etwa
(–1) durch (6, 5) oder aber durch (5, 4) darstellen. Es ist also nicht möglich,
die ganzen Zahlen durch Zahlenpaare direkt zu definieren. Stattdessen müssen
wir eine Äquivalenzrelation ~ definieren, so dass etwa
(6, 5) ~ (5, 4)
ist.
Weiter muss man dann zeigen, dass ~ auch eine Kongruenzrelation ist. Geht man
dann über zur Faktorstruktur, so können wir die ganzen Zahlen als
Äquivalenzklassen von ~ definieren.