Elementare Zahlentheorie WS 03/04

Stundenprotokoll vom 16.10.2003 (RD)


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Thema der Stunde: Die ganzen Zahlen

 

1. Warum ist das Produkt zweier negativer Zahlen positiv?

 

Zunächst haben wir noch einmal das Thema der letzten Stunde, nämlich: „Wie motiviert man, dass das Produkt zweier negativer Zahlen eine positive Zahl ergibt?“ aufgegriffen.

Dazu kann der Lehrer mit seinen Schülern zusammen eine Multiplikationstafel aufstellen.

Diese sieht für das Produkt x • y folgendermaßen aus:

 

 

 

 

 

 


x

 

 

 

 

 

 

II

 

 

 

 

 

 

 

I

 

 

-16

-12

-8

-4

0

4

8

12

16

 

 

-12

-9

-6

-3

0

3

6

9

12

 

 

-8

-6

-4

-2

0

2

4

6

8

 

 

-4

-3

-2

-1

0

1

2

3

4

 

 

0

0

0

0

0

0

0

0

0

 

y

4

3

2

1

0

-1

-2

-3

-4

 

 

8

6

4

2

0

-2

-4

-6

-8

 

 

12

9

6

3

0

-3

-6

-9

-12

 

 

III

 

 

 

 

 

 

 

IV

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Aber wie erhält man die Zahlen in den einzelnen Quadranten?

Im ersten und zweiten Quadranten kann der Lehrer die Multiplikation über die erste Diskursebene, d. h. anhand von physikalischen Objekten erklären.

So ergibt sich z. B. die rot markierte 6 im ersten Quadrant aus „2 mal 3“. Die Schüler können sich dazu vorstellen: „Ich habe 2mal drei Äpfel, also sechs Äpfel“.

Auch z. B. die rot markierte (-8) aus dem zweiten Quadranten lässt sich noch auf der ersten Diskursebene erklären, sie ergibt sich aus „2mal (-4)“. Dazu stellen sich die Schüler z. B. vor: „Mir fehlen 2mal 4 Äpfel, also fehlen mir insgesamt 8 Äpfel“.

 

Aber für die letzten beiden Abschnitte in der Multiplikationstafel fehlt den Schülern eine Anschauung.

Im vierten Quadranten stellt sich die Frage: „Was ist z. B. -3mal 4 Äpfel?“

Hier muss man von der ersten Diskursebene weggehen und mit den Regeln argumentieren, die die Schüler für die natürlichen Zahlen bereits auf der dritten Diskursebene gelernt haben.

Sie kennen unter anderem schon das Kommutativgesetz der Multiplikation für die natürlichen Zahlen. Also muss man ihnen klar machen, dass es sinnvoll ist, dass diese Regel auch bei den neuen negativen Zahlen gelten soll. Es soll also gelten x•y = y•x. Damit kann man dann die Ergebnisse des vierten Quadranten aus denen des zweiten Quadranten ableiten.

 

Nun bleibt noch das Problem des dritten Quadranten, warum das Produkt von zwei negativen Zahlen positiv sein soll. Dazu muss man die Schüler auf eine gewisse Regelmäßigkeit in der Tabelle hinweisen:

Man erkennt, dass die Zahlen in der untersten Zeile des ersten Quadranten von rechts nach links gelesen immer um eine Einheit verringert werden. Dies wird auch in der untersten Zeile des zweiten Quadranten so fortgesetzt. Da in der obersten Zeile des vierten Quadranten die Zahlen von rechts nach links gesehen immer größer werden, wäre es also auch logisch, dies im dritten Quadranten so weiter fortzusetzen. Für die anderen Zeilen geht dies analog. Der Unterschied ist nur, dass die Zahlen dann immer um 2, 3, 4, … verringert bzw. vergrößert werden.

 

Somit ist die Multiplikationstabelle fertig aufgestellt. Sie ist zwar kein mathematischer Beweis dafür, dass „- mal -“ positiv ist, aber somit kann man den Schülern verdeutlichen, dass dies die einzig logische Möglichkeit ist, die Multiplikation auf den negativen Zahlen fortzusetzen.

 

 

2. Konstruktion der ganzen Zahlen aus den natürlichen Zahlen (4. Diskursebene)

 

Man kann die negativen Zahlen, wie bereits in der letzten Stunde angesprochen, als Zahlen einführen, die Gleichungen, wie z. B.:  7 + ? = 4  oder 5 + ? = 2, lösen.

Wie man sieht, wird also durch die Zahlenpaare (7, 4) und (5, 2) die gleiche negative Zahl, nämlich (-3), beschrieben.

Somit muss man eine Äquivalenzrelation definieren, so dass etwa (7, 4) ~ (5, 2) gilt.

 

Zur Konstruktion der ganzen Zahlen aus den natürlichen Zahlen muss man also folgende Schritte durchführen:

1) Definition einer Äquivalenzrelation [ (x, y)

~ (x’, y’)]

2) Definition einer Äquivalenzklasse

3) Definition der Operation „+“

4) Definition von Z

 

Zu 1) (Definition einer Äquivalenzrelation):

Um eine geeignete Äquivalenzrelation zu definieren, muss man sich zunächst auf einem „Schmierzettel“ überlegen, wie diese aussehen sollte:

Zwei Zahlenpaare (x, y) und (x’, y’) sollten äquivalent zueinander sein, wenn sie die gleiche negative Zahl charakterisieren.

Angenommen, es gäbe bereits eine negative Zahl u, dann müsste (x, y) ~ (x’, y’) gelten, wenn die beiden Gleichungen

x  + u = y

x’ + u = y’

erfüllt sind.

Weiterhin angenommen, es gäbe bereits die Operation „-“, so ergibt sich:

[u:=] y – x = y’ – x’  bzw. y + x’ = y’ + x

Nun kann man die Äquivalenzrelation definieren.

 

Definition:

Für (x, y), (x’, y’) IN x IN schreibe (x, y) ~ (x’, y’), wenn gilt: y + x’ = y’ + x.

 

Als nächstes muss man nachweisen, dass ~ tatsächlich eine Äquivalenzrelation auf IN x IN ist, d. h. man muss zeigen, dass ~ reflexiv, symmetrisch und transitiv ist.

-         Reflexivität: Zu zeigen ist: (x, y) ~ (x, y)

~ ist reflexiv, denn es gilt y + x = y + x.

-         Symmetrie: Zu zeigen ist: Aus (x, y) ~ (x’, y’) folgt (x’, y’) ~ (x, y).

~ ist symmetrisch, denn aus y + x’ = y’ + x folgt y’ + x = y + x’.

-         Transitivität: Zu zeigen ist: Aus (x, y) ~ (x’, y’) und (x’,y’) ~ (x’’, y’’) folgt (x, y) ~ (x’’, y’’).

~ ist transitiv, denn aus y +x’ = y’ + x und y’ + x’’ = y’’ + x’ folgt durch Addition der beiden Gleichungen:

y + x’ + y’+ x’’ = y’ + x + y’’ + x’ , also:

y + x’’ = y’’ + x.

 

Zu 2) (Definition einer Äquivalenzklasse):

Definition:

Es sei ~ die oben definierte Äquivalenzrelation. Für (x, y) IN x IN schreiben wir:

(x, y)˜ := { (x’, y’)   IN x IN | (x’, y’) ~ (x,y) }

 

Diese „Töpfe“ bilden eine Klasseneinteilung von IN x IN, d. h. die Vereinigung aller Äquivalenzklassen bildet ganz IN x IN, und die Äquivalenzklassen sind paarweise disjunkt.

 

Zu 3) (Definition der Operation „+“):

Um eine geeignete Definition für die Addition zu finden, muss man sich zunächst wiederum auf einem „Schmierzettel“ überlegen, was diese Addition leisten soll.

Es seien (x, y) und (x’, y’) IN x IN. Es gilt also x + u = y und x’ + v = y’.

Durch Addition der beiden Gleichungen erhält man: (x + x’) + (u + v) = (y + y’).

Also charakterisiert das Zahlenpaar (x+x’, y+y’) die Zahl (u+v).

Nun kann man also die Addition definieren:

 

Definition:

Für (x, y), (x’, y’)  ∈ IN x IN setze (x, y)˜ + (x’, y’)˜ := (x + x’, y + y’)˜.

 

Es stellt sich die Frage, ob das repräsentantenweise Rechnen wohldefiniert ist. Dazu muss man nachweisen, dass ~ eine Kongruenzrelation ist, d. h. aus (x, y) ~ (x’, y’) und

(x1, y1) ~ (x1’, y1’) muss folgen [(x, y) + (x1, y1)] ~ [(x’, y’) + (x1’, y1’)] für (x, y), (x’, y’), (x1, y1), (x1’, y1’)   IN x IN.

~ ist eine Kongruenzrelation, denn zu zeigen ist :

 [(x, y) + (x1, y1)] ~ [(x’, y’) + (x1’, y1’)], also

(x + x1, y + y1) ~ (x’ + x1’, y’ + y1’), somit

y + y1 + x’ + x1’ = y’ +  y1’ + x + x1.

Da nach Voraussetzung (x, y) ~ (x’, y’) und (x1, y1) ~ (x1’, y1’), gilt also:

y + x’ = y’ + x,

y1  + x1’ = y1’ + x1,

und somit gilt die Gleichheit der oberen beiden Terme. Also ist ~ folglich eine Kongruenzrelation und somit ist die von uns definierte Addition wohldefiniert.

 

Zu 4) ( Definition von Z):

Definition:

Z := { (x, y)˜ | (x, y) IN x IN}

 

 

Nun, da wir die ganzen Zahlen aus den natürlichen Zahlen konstruiert haben, stellen sich die folgenden Fragen:


1) Welchen Namen geben wir unseren Äquivalenzklassen?

2) Welche Äquivalenzklassen beschreiben die natürlichen Zahlen?

3) Welche Rechenregeln gelten für die Äquivalenzklassen? Dieselben wie in IN?

4) Besteht ein Isomorphismus zwischen IN und einer Teilmenge der Menge aller

    Äquivalenzklassen?

5) Welches „ist“ die Menge der „positiven Töpfe“?

 

Zu Frage 5):

Die Menge der „positiven Töpfe“ ist die Menge P := { (x, y) | x < y, (x, y) IN x IN }.

 

Zu Frage 4):

Wir betrachten die Abbildung j := (u → (1,u+1)˜): IN P.

Dadurch stellen sich wieder neue Fragen:

(i)                  Ist j injektiv und surjektiv?

(ii)                Ist j wohldefiniert?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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