Zurück zum LDfM, zur Fachgruppe Mathematik,
zur Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften, zur RWTH.

Grundlagen der Geometrie
Protokoll vom 23.10.00 (WJ)

Zurück zum 19.10.00; weiter zum 26.10.00.

Nach der Bestandsaufnahme der bisher gesammelten Begriffe stellte sich die Frage, ob die in der Anschauung anscheinend klare Tatsache, daß sich die Diagonalen eines Parallelogramms/Vierecks schneiden, auch allgemein gültig ist.
Zur Beantwortung der Frage müssen jedoch zuerst die Begriffe Viereck und Parallelogramm definiert werden.

Definition. Gegeben eine Inzidenzstruktur mit Parallelität und den Axiomen I1-3, A1-2.
Ein Viereck ist eine Menge von vier Punkten (Ecken), wo je drei nicht kollinear sind. Eine Seite eines Vierecks ist eine Gerade durch zwei der Ecken des Vierecks.
Folgerung: Ein Viereck hat sechs Seiten.
Ein Paar von Gegenseiten (eigentlich muß es hier Zweimenge heißen) ist eine Menge von zwei Seiten des Vierecks, wo zwei Ecken des Vierecks auf der einen Seite liegen und die anderen beiden auf der anderen Seite.

Der Begriff Parallelogramm ist anschaulich klar und wird formal in der Stunde vom 2.11.00 eingeführt.

A3 (Veblen-Young-Axiom): Gegeben eine Inzidenzstruktur mit Parallelität und den Axiomen I1, I2, I3, A1 und A2.
Ist ein Viereck gegeben, wo zwei Paare von Gegenseiten nicht windschief sind, so ist auch das dritte Paar von Gegenseiten nicht windschief.

In den folgenden gut 30 Minuten fragten wir, ob auch Raumstücke die bisherigen Axiome erfüllen. Als Beispiel betrachteten wir einen 2-dimensionalen Vektorraum über dem Körper mit drei Elementen. Im zugehörigen affinen Raum (Definition später) lassen wir einen Punkt weg. Wie in der Übung bereits gezeigt wurde, sind die Axiome I1, I2, I3, A1 und A2 erfüllt.
Das Veblen-Young-Axiom jedoch gilt nicht in dem von uns betrachteten Raumstück, es fordert die Existenz des neunten Punktes und damit den ganzen Raum.
In einer gegebenen Inzidenzstruktur mit allen Axiomen I1-3 und A1-3 kann man nach der kleinsten Inzidenzstruktur mit diesen Axiomen fragen, welche eine gegebene Menge von Punkten enthält; das würde auf den Begriff des Erzeugnisses führen, den wir aber nicht diskutiert haben.

Die Diskussion des Problems ergab auch, wie wichtig es ist, sich die gestellte Frage genau vor Augen zu führen und, vor allem, die eigenen Gedanken und Lösungsansätze auszuformulieren. Ohne das schriftliche Festhalten schleichen sich schnell formale Ungenauigkeiten ein.

Die weiteren Überlegungen führten zur folgenden Definition.

Definition: Ein affiner Raum ist eine Inzidenzstruktur mit Parallelität, bei der die Aussagen ("Axiome") I1, I2, I3, A1, A2 und A3 erfüllt sind.
Eine affine Ebene ist ein affiner Raum, wo es keine windschiefen Geraden gibt.

Beispiele: Bildet man zu einem Vektorraum der Dimension mindestens zwei den zugehörigen affinen Raum (im Sinne der Linearen Algebra), so erhält man hieraus auf naheliegende Weise eine Inzidenzstruktur, die die Axiome I1-3 und A1-3 erfüllt, also einen affinen Raum im Sinne der gerade formulierten Definition.

In der in diesem Sinne zu einem zweidimensionalen Vektorraum über dem Körper mit zwei Elementen gehörenden affinen Ebene (mit vier Punkten) schneiden sich entgegen der "Anschauung" die Diagonalen eines Parallelogramms mit den vier Punkten als Eckpunkten jedoch nicht: sie sind parallel. Dieses Beispiel ist jedoch als "exotisch" anzusehen. Was wäre, wenn wir generell fordertenn, daß jede Gerade mindestens drei Punkte hat? Diese Frage führt später auf die Einführung des Fano-Axioms (F); vgl. Protokoll vom 13.11.00.

Kann der "Mittelpunkt" zu zwei Punkten mit Hilfe des (?) Schnittpunktes der Diagonalen eines Parallelogramms konstruiert werden, wobei gefordert wird, daß die beiden Punkte auf "gegenüberliegenden" Ecken des Parallelogramms liegen? Ist es egal, wie das Paralollogramm liegt? Reichen unsere Axiome aus, um dies zu beweisen?

Zurück zum 19.10.00; weiter zum 26.10.00.


Zurück zum Seitenanfang, zu Grundlagen der Geometrie,
zur Hauptseite, zum LDfM, zur Fachgruppe Mathematik,
zur Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften, zur RWTH.