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Grundlagen der Geometrie
Protokoll vom 12.2.2001 (NMA+TR)

In der heutigen Stunde halten wir den Vortrag mit dem Thema:

Ein/das Inhaltsmaß für Polygone.
(Thema 4)

[Die Marken K1, K2, usw. verweisen auf nachträgliche Kommentare von US am Ende dieser Seite.]

[K1]
Analog zum bisherigen Vorgehen für Abstände [dort: abstandsgleich] in der Vorlesung betrachten wir als erstes den Begriff "inhaltsgleich".

Kongruente Polygone sollen jedenfalls "inhaltsgleich" werden. (Kongruente Polygone lassen sich durch Spiegelungen zur Deckung bringen, und Spiegelungen bilden Punktepaare auf abstandsgleiche Paare ab. Im Moment ist aber noch nicht klar, ob der Inhaltsbegriff (Inhaltsgleichheit) etwas mit dem Abstandsbegriff (Abstandsgleichheit) zu tun hat.)

Dazu:

Definition

Polygone sind Vereinigungsmengen von endlich vielen abgeschlossenen Strecken.

Beispiele

1.) 2.) 3.)
"normal" "Abgeschlossenheit?" "Überschneidungen?"

Frage: (1) Welche Bedingungen müssen gelten, damit wir "normale" Polygone haben? (S. später.)

Es gibt zwei Möglichkeiten, die "Inhaltsgleichheit" zu definieren. Entweder man betrachtet Zerlegungsgleichheit oder Ergänzungsgleichheit.

Definition

Zwei "normale" Polygone heißen zerlegungsgleich, wenn es möglich ist, sie in endlich viele paarweise kongruente "normale" Teilpolygone zu zerlegen.

Frage: (2) Was ist ein Teilpolygon, was bedeutet "Polygon 1 liegt im Innern von Polygon 2"? (S. später.)

Satz

Die Zerlegungsgleichheit ist eine Äquivalenzrelation.

Beweis

Symmetrie: klar. Reflexivität: klar.

Transitivität: Beweisskizze: Polygon A sei zerlegungsgleich mit Polygon B. Polygon B sei wiederum zerlegungsgleich mit Polygon C. Dann kann man durch Übereinanderlegen der Zerlegungen von B eine feinere Zerlegung finden, die sowohl in A als auch in C Zerlegungen mit paarweise kongruenten Polygonen hat. Also ist Polygon A auch zerlegungsgleich mit Polygon C.

Definition

Zwei Polygone heißen ergänzungsgleich, wenn es möglich ist, zu jedem der beiden Polygone endlich viele Polygone so hinzuzulegen, daß die hinzugelegten Polygone paarweise kongruent sind und die so entstandenen Polygone zerlegungsgleich sind.

Satz

Die Ergänzungsgleichheit ist eine Äquivalenzrelation.

Beweis

Der Beweis ist ähnlich dem zur Zerlegungsgleichheit.

Satz

Zwei zerlegungsgleiche Polygone sind stets auch ergänzungsgleich.

Beweis

Nach Definition klar.

Satz (Bolyai, 1833)

Zwei ergänzungsgleiche Polygone sind stets auch zerlegungsgleich.

Der Beweis dieses Satzes ist recht kompliziert und sprengt den Rahmen der Vorlesung.


Nun wollen wir ein Maß für den Inhalt von Polygonen finden. Dafür definieren wir eine Abbildung A von der Menge der "normalen" Polygone F in den Koordinatenkörper K (dessen Eigenschaften wir noch genauer untersuchen werden). [K7]

Bedingungen für das Inhaltsmaß

Für A sollen bestimmte Bedingungen gelten. Es seien F1, F2, F Polygone aus F.

(Fl1)
Sind F1, F2 kongruent, so gilt A(F1) = A(F2).
(Fl2)
Ist {F1, F2} eine Zerlegung von F, so gilt A(F) = A(F1) + A(F2).
(Fl3)
Wird F1 von F2 umschlossen, so ist A(F1) kleiner oder gleich A(F2).
Aus diesen Bedingungen folgt auch:
(Fl4)
A(F) ist größer oder gleich 0 für alle F.
[K2]

Der Körper K muß also angeordnet sein.

Vorüberlegungen zur Analyse

Es sei eine solche Funktion A gegeben. Betrachten wir zunächst ein Rechteck R und wählen Einheitspunkte auf den "Achsen". Das Einheitsrechteck E mit 0 und den Einheitspunkten als Ecken hat das Maß A(E). Skizze dazu:

Es macht daher Sinn, als Koordinatenkörper die Menge der reellen Zahlen zugrundezulegen.

[K4]

Satz

Ein Polygon läßt sich triangulieren, d. h. es gibt eine Zerlegung durch "Diagonalen" [Def.?] aus lauter Dreiecken, die Triangulierung.

Beweisskizze (Induktionsbeweis)

Als Induktionsverankerung betrachte man ein Dreieck, hier gibt es mindestens eine Zerlegung, nämlich das Dreieck selbst. Nun seien die Polygone bis zum n-Eck triangulierbar. Zerlegt man ein (n + 1)-Eck durch "innere Diagonalen" in zwei Polygone, so haben diese weniger als n + 1 Ecken, also höchstens n. Diese Polygone lassen sich also triangulieren. Damit gibt es dann also eine Triangulierung für das (n + 1)-Eck.

Frage: (3) Wie zeigt man die Eindeutigkeit des jeweiligen Flächenmaßes? (S. später.)

Eindeutigkeit

Durch die Analyse der Bedingungen ist die Eindeutigkeit des Flächenmaßes A leicht zu zeigen.

Frage: (4) Wie zeigt man die Unabhängigkeit von der Triangulierung? (S. später.)

Existenz

Nun besteht noch die Schwierigkeit, die Existenz des Flächenmaßes A zu zeigen. Dies ist aber für die verbleibende Zeit zu aufwendig.


Behandlung der aufgetretenen Fragen

Zu (1):

"Normale" Polygone müssen folgende Bedingungen erfüllen:

  1. Alle Strecken sind in einer Ebene.
  2. Das Polygon ist geschlossen.
  3. Die Strecken dürfen sich nicht schneiden.
(Keine genaue Definition von Begriffen wie Strecke etc. an dieser Stelle.)

Zu (2):

Das Problem des "Inneren" einer Figur ist ein weiterer Themenbereich für sich und wird daher hier nicht behandelt.

Zu (3) und (4):

Diese Nachweise müssen ohne Benutzung der genannten Bedingungen erfolgen und sind daher ebenfalls schwieriger.

Kommentare

K1: Wo bin ich? Gegeben sei eine affine Ebene mit (D), deren Koordinatenkörper ein (kommutativer) angeordneter Körper ist, etwa R. Weiter sei eine Orthogonalitätsrelation mit den üblichen Axiomen gegeben, so daß Abstandsgleichheit transitiv ist.
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K2:
(Fl5) Ein "Einheitsrechteck" E hat den Inhalt A(E) = 1.
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K3: Bei einem beliebigen Rechteck geht man zu einem kongruenten Rechteck über, dessen Seiten auf denen des Standard-Rechtecks R von oben liegen, und ermittelt dessen Inhalt (A-Wert).
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K4: Die folgenden "Wünsche" folgen aus den bisherigen Forderungen an A (Analyse); bei der späteren Konstruktion (Existenz) von A sollen sie im Auge behalten bleiben.
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K5: Nach Anwendung einer Bewegung (Kongruenzabbildung) wie für R zu berechnen.
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K6: Inhalt des entsprechenden Rechtecks, wie oben zu ermitteln.
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K7: Hier wird also A(F) als "Zahl" des Koordinatenkörpers K (meist R) aufgefaßt. - In der Physik wird einem physikalischen Polygon jedoch eine Größe als Maß zugeordnet, das ist ein Element eines K-Vektorraums "Flächenmaße": alle Vielfache (aus K) eines Einheitsflächenmaßes q. Ein "Einheitsquadrat" erhält das Maß 1 q. Das Flächenmaß von Rechtecken erweist sich als proportional zu den Längenmaßen der Seiten a l und b l bezüglich eines Einheitslängenmaßes 1 l. In Formeln

A(R) = a b q = k a b l2 mit einer konstanten Größe k = q/l2.
Üblicherweise "identifiziert" man q mit k l2. Ich führe hier nicht aus, in welcher K-Algebra von Größen sich dieser Kalkül abspielt.
Vgl. S. 64 in: Hans Lode, Zum Rechnen mit Größen und Größengleichungen, Der Mathematikunterricht 6:4 (1960), 42--73; HB: Z5577-6. Siehe auch R. Fleischmann, Einheiteninvariante Größengleichungen, Dimensionen, MNU 1959/60, S. 385--399 und 443--458; HB: Z848.
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