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<b>Grundlagen der Geometrie <br> Protokoll vom 20.11.2000 (HR)<b>

Grundlagen der Geometrie
Protokoll vom 20.11.2000 (HR)

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Diese Vorlesung sollte uns unserem Ziel, der Konstruktion des Mittelpunktes eines Zweiecks (A, B), näher bringen. Existiert überhaupt der Mittelpunkt von (A, B)?


In der letzten Vorlesung wurde erkannt, daß man einen Mittelpunkt von (A, B) über die Konstruktion eines Parallelogramms wie folgt erhält:

Es sind zwei Punkte A und B und somit AB gegeben. Man wähle einen Punkt C, der nicht auf der Geraden g, die durch A und B geht, liegt, d. h. A, B und C sind nicht kollinear. Parallel zu AC konstruiert man eine Gerade f durch A. Durch B konstruiert man die zu AC parallele Gerade h. Das affine VY-Axiom garantiert uns dann die Existenz des Schnittpunkt D der Geraden f und g. Wir erhalten so das Parallelogramm

.


Skizze:



Existiert nun der Schnittpunkt M der Diagonalen, so definieren wir diesen Punkt als "C-Mittelpunkt" von (A, B). Zunächst ist also folgende Frage zu stellen:


Existiert dieser Punkt M immer?

Die Antwort fällt negativ aus, denn z. B. in der affinen Ebene über dem Körper F2 sind alle drei Paare von Gegenseiten in einem (sogar dem) Parallelogramm parallel, d. h. M existiert in diesem Fall nicht. Weitere affine Räume, in denen Parallelogramme existieren, deren Diagonalen sich nicht schneiden, sind die A(V) für Vektorräume über Körpern der Charakteristik 2.

Unsere Axiome reichen also nicht aus, um den Schnittpunkt M der Diagonalen eines Parallelogramms zu garantieren. Daher benötigen wir ein weiteres Axiom:
Definition (Affines Fano-Axiom (F)):
Die Diagonalen eines jeden Parallelogramms schneiden sich.


Exkurs in die projektive Geometrie:

Wie lautet eine entsprechende Aussage in projektiven Ebenen?

Sinnlos wäre die Aussage: Die Diagonalen eines jeden ebenen Tetragons schneiden sich in einem Punkt, denn in projektiven Ebenen schneiden sich je zwei Geraden. Das projektive Fano-Axiom wird daher wie folgt definiert:

Definition (Projektives Fano-Axiom (proj. F)): Die drei (Sind es wirklich drei?) "Diagonalpunkte" eines jeden "ebenen" Vierecks sind nicht kollinear!


Skizze: (Hier sind D1, D2 und D3 die Diagonalpunkte.)


Definition (Diagonalpunkte): Der Schnittpunkt S eines jeden Gegenseitenpaares eines Vierecks in einer projektiven Ebene heißt Diagonalpunkt.
Definition (Ebenes Viereck): Ein Viereck in einem projektiven Raum heißt eben, wenn sich je zwei (der sechs) Seiten des Vierecks schneiden (und somit auch die Diagonalpunkte existieren).

Rückkehr in die affine Geometrie:

Bemerkung: In einem affinen Raum mit Fano-Axiom bilden die Diagonalpunkte (D1, D2 und D3) eines ebenen Vierecks, sofern sie existieren, ein Dreieck.
(Jedenfalls hoffen wir das, da wir keinen Beweis versuchten.)
Skizze:


Zurück zu unserem Problem:
Ist in einer affinen Ebene der Mittelpunkt von (A, B) eindeutig durch die Parallelogramm-Kostruktion bestimmt?
Anders formuliert: Ist der Mittelpunkt M, den ich durch die Konstruktion eines Parallelogramms erhalte, unabhängig von meiner Wahl des Punktes C?

Dazu wähle ich einen weiteren Punkt C|, der von C verschieden ist und der Bedingung genügt, daß A, B und C| nicht kollinear sind.

Skizze:
(1)


Ist hier nun der "C-Mittelpunkt" geich dem "C|-Mittelpunkt"?

Diese Frage wurde methodisch bearbeitet:

1. Physikalisches Experiment (graphisch, konstruktiv) durchführen.
2. Beweisversuche / Ideen für Beweise sammeln.
a) Figuren zeichnen und darin etwas sehen.
b) Vereinfachung durch Betrachtung von Spezialfällen (z. B. "ebener" Fall) machen.
c) Andere, schon bekannte Sätze ins Spiel bringen.
d) Andere logisch verwandte Aussagen finden und eine davon (nicht notwendig die erste) beweisen.
3. Logisch verwandte Aussagen suchen [Didaktisches Prinzip: lokales Schließen].
4. Vermutungen finden [Didaktisches Prinzip: Entdeckendes Lernen].



Zu 2. a)
Wir sammelten zu (1) logisch verwandte Aussagen, die wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewiesen haben. (Daher müssen die jetzt folgenden Aussagen nicht zwangsläufig richtig sein!)


Figur 1:

Sind in einem Hexagon alle drei Paare von Gegenseiten parallel, so schneiden sich die Diagonalen in einem Punkt.

Skizze:



Figur 2: (Umkehrung von Figur 1)

Sind zwei Paare von Gegenseiten eines Hexagons parallel und schneiden sich die drei Diagonalen in einem Punkt, so ist auch das dritte Paar von Gegenseiten parallel.

Skizze:



Figur 3:

Gegeben seien drei Geraden gi mit sechs Punkten Si und Ti auf gi (i= 1, 2, 3), so daß zwei Paare entsprechender Seiten der geordneten Dreiecke (S1, S2, S3) und (T1, T2, T3) parallel sind (etwa S1, S2 || T1T2 und S2S3 || T2T3).

Gehen die Geraden gi durch einen gemeinsamen siebten (!) Punkt oder sind die gi parallel, so ist auch das dritte Paar entsprechender Seiten parallel (S1S3 || T1T3).


Skizze:



Figur 4 (Umkehrung von Figur 3):

Gegeben seien drei Geraden gi mit sechs Punkten Si und Ti auf gi (i= 1, 2, 3), so daß zwei Paare entsprechender Seiten der geordneten Dreiecke (S1, S2, S3) und (T1, T2, T3) parallel sind (etwa S1, S2 || T1T2 und S2S3 || T2T3).

Ist auch das dritte Paar entsprechender Gegenseiten (S1S3 || T1T3) parallel, so gehen die drei Geraden gi durch einen gemeinsamen Punkt oder sie sind parallel.


Skizze:

Zu 2. c) Legen wir in Skizze (1) das C| auf die Gerade durch C und B. Damit sieht die Skizze wie folgt aus:


Es sind hier die Voraussetzungen aus Figur 4 gegeben für die geordneten Dreiecke (A, C, C/) und (B, D, D/), denn alle drei Paare entsprechender Seiten sind nach Parallelogramm-Konstruktion parallel. Wenn die Aussage von Figur 4 gilt, gehen die Diagonalen CD und C/D/ durch denselben Punkt M auf AB, wie gewünscht.

Bei beliebiger Lage von C/ (in einer affinen Ebene) bildet man hilfsweise den Schnittpunkt H von AC/ mit CB und wendet die gerade bewiesene Aussage auf C und H sowie auf H und C/ an.

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