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Grundlagen der Geometrie
Protokoll vom 30.11.2000 (ES)

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Protokoll vom 30.11.2000

Ziel:
Übertragung des affinen Mittelpunktbegriffes aus der Parallelogrammkonstruktion in eine projektive Version

Zunächst wird eine projektive Version des Satzes von Desargues formuliert.

% latex2html id marker 295
\includegraphics [width=15cm]{pd_n.eps}


,,Wenn die zugehörigen Seitenpaare verlängert werden, dann liegen die Schnittpunkte auf einer Geraden.``

Eine mathematische Formulierung des Satzes lautet:
(pD)
Zentrale geordnete Dreiecke liefern axiale geordnete Dreiecke.

Zum Verständnis dieses Satzes sind noch zwei Definitionen notwendig.

Definitionen:
Ein Paar geordneter Dreiecke $[(A,B,C)~\mbox{und}~(A',B',C')]$ heißt zentral, wenn entsprechende Ecken und entsprechende Seiten verschieden sind und die Verbindungsgeraden [existieren!] entsprechender Ecken durch einen Punkt [das Zentrum] gehen.
Die Verbindungsgeraden werden mit $g=AA'$, $h=BB'$ und $k=CC'$ bezeichnet.
Ein Paar geordneter Dreiseite $[(a,b,c)~\mbox{und}~(a',b',c')]$ heißt axial, wenn entsprechende Seiten und entsprechende Ecken verschieden sind und die Schnittpunkte [existieren!] entsprechender Seiten auf einer [gemeinsamen] Geraden [der Achse] liegen.
Die Schnittpunkte werden mit $G=a \wedge a'$, $H=b \wedge b'$ und $K=c \wedge
c'$ bezeichnet.

Die Aussage (pD) wirft einige Fragen auf:

Ist [die so definierte] Aussage (pD) ,,physikalisch in Ordnung``?
EXPERIMENT!

Können wir die ,,gewünschten Sätze`` mit dieser Formulierung von (pD) beweisen?

a)
Gilt (pD) in $P(V)$?
Um die Gültigkeit von (pD) im Rahmen der Analytischen Geometrie für einen projektiven Raum der Form $P(V)$ zu zeigen, wird ein Satz formuliert:
Satz:
Gegeben ist ein Schiefkörper $K$, ein $K$-Links-Vektorraum $V$ mit dim $V$ $\geq$ 3. Dann gilt (pD) in $P(V)$.

Beweis:
Es ist $P(V)$ = $(\mathcal{P}, \mathcal{G}, I)$ der projektive Raum, für den $\mathcal{P}$ die Menge aller 1-dimensionalen Teilräume von $V$, $\mathcal{G}$ die Menge aller 2-dimensionalen Teilräume von $V$ und $I$ die Teilraumbeziehung $\leq$ ist.
Desweiteren ist ein zentrales Paar von geordneten Dreiecken $(S_1,S_2,S_3)$ und $(T_1,T_2,T_3)$ mit Zentrum $Z$ gegeben.
[Z. z.: Das Paar ist axial.]
Durch den Punkt $Z$ gehen die Geraden $g_i$ := $S_iT_i$ für $i=1, 2, 3$.
[Z. z.: $S_iS_j \wedge T_iT_j =: U_k$ (für $\{ i,j,k \} = \{ 1,2,3 \}$) liegen auf einer Geraden.]
Ein beliebiger Punkt $X$ wird durch einen 1-dimensionalen Teilraum $\langle x\rangle $ für $0 \not= x \in V$ beschrieben: $X = \langle x \rangle $. Dann gilt:
1.
% latex2html id marker 187
$Z = \langle z \rangle \leq g_i = \langle s_i,t_i \rangle $. Dann kann $z$ als Linearkombination von % latex2html id marker 191
$s_i$ und $t_i$ geschrieben werden: % latex2html id marker 195
$z = \lambda_i s_i + \mu_i t_i$.
2.
Die Schnittpunkte $U_i$ berechnen sich nach

\begin{displaymath}
% latex2html id marker 199
U_i = S_jS_k \wedge T_jT_k = \langle s_j,s_k \rangle \cap
\langle t_j,t_k \rangle. \end{displaymath}


Es ist nach 1. beispielsweise % latex2html id marker 201
$z = \lambda_1 s_1 + \mu_1 t_1 = \lambda_2 s_2 + \mu_2 t_2$.
Es folgt daraus [IDEE]: % latex2html id marker 203
$\lambda_1 s_1 - \lambda_2 s_2 = - \mu_1 t_1 + \mu_2 t_2 =: u_3$
und somit: % latex2html id marker 205
$\langle s_1,s_2 \rangle \cap \langle t_1,t_2 \rangle \geq \langle u_3 \rangle $.
Gilt $u_3 \not= 0$? - Wäre $u_3 = 0$, so wäre $S_1 = S_2$, falls $(\lambda_1,\lambda_2) \not= (0,0)$ ist. Das ist ein Widerspruch zu $S_1
\not= S_2$. Im Fall $(\lambda_1,\lambda_2) = (0,0)$ wäre $z = \mu_1 t_1 = \mu_2 t_2$ und damit $Z = T_1 = T_2$, ebenfalls ein Widerspruch. Das steht im Widerspruch zum Dreieck $(T_1,T_2,T_3)$.
Also ist $\langle u_3 \rangle = U_3$.
Allgemein gilt für die Schnittpunkte [,,zyklisch``]:

\begin{displaymath}
% latex2html id marker 227
u_i = \lambda_j s_j - \lambda_k s_k = \mu_k t_k - \mu_j t_j ~(\not= 0).\end{displaymath}

3.
[Ist $(u_1,u_2,u_3)$ linear abhängig? Wenn ja, so sind die Schnittpunkte $U_i$ kollinear, da dann $\langle u_1,u_2,u_3 \rangle$ höchstens 2-dimensional ist.]
Für
% latex2html id marker 401
$\displaystyle u_1$ % latex2html id marker 402
$\textstyle =$ % latex2html id marker 403
$\displaystyle \lambda_2 s_2 - \lambda_3 s_3$  
% latex2html id marker 404
$\displaystyle u_2$ % latex2html id marker 405
$\textstyle =$ % latex2html id marker 406
$\displaystyle \lambda_3 s_3 - \lambda_1 s_1$  
% latex2html id marker 407
$\displaystyle u_3$ % latex2html id marker 408
$\textstyle =$ % latex2html id marker 409
$\displaystyle \lambda_1 s_1 - \lambda_2 s_2$  

ist in der Tat $u_1 + u_2 + u_3 = 0$.
Damit ist (pD) für $P(V)$ bewiesen.

(pD) gilt also auch für Schiefkörper $K$ mit Charakteristik $char K = 2$. Es folgen Beispiele für $K=\mathbb {Z}_2$.
$dim V = 2$:

% latex2html id marker 303
\includegraphics [width=8cm]{dim2_n.eps}

$dim V = 3$:

% latex2html id marker 307
\includegraphics [width=8cm]{dim3_n.eps}

Eine andere Darstellung für die 7-Punkte-Ebene $P(\mathbb {Z}_2^3)$, die bis auf Isomorphie eindeutig bestimmt ist, ist:

% latex2html id marker 313
\includegraphics [width=10cm]{dim3_p_n.eps}

Gilt nun die projektive Version des Satzes von Desargues (pD) auch in der 7-Punkte-Ebene?
Der Satz gilt (wie oben bewiesen) auch hier, da es keine zentralen Dreiecke gibt, die die Voraussetzung erfüllen.

b)
Folgt aus (pD) auch die Aussage (pD)$^{-1}$?
Verweis auf Übungsaufgabe 15.
c)
Gilt auch, dass (pD)$^{-1}$ aus (pD) folgt?







DUALITÄT

Was ist eine duale Aussage?
(A) sei eine Aussage über einen projektiven Raum [nur mit den Begriffen: Punkt, Gerade, Inzidenz]. Dann erhalten wir die duale Aussage (A)$^*$, indem wir ,,Punkt`` durch ,,Gerade`` und ,,Gerade`` durch ,,Punkt`` ersetzen sowie $I$ durch $I^{-1}$.

Beispiel:
Aus (pD) wird (pD)$^*$ = (pD)$^{-1}$.
(Die Gleichheit ist nicht immer notwendig, aber im Fall der projektiven Version des Satzes von Desargues ist sie gültig!)
Die Frage nach der Gültigkeit der dualen Aussage für (pD) ist unter b) beantwortet worden.
Es stellt sich die Frage, wie die duale Aussage für den Satz von Pappus lautet.

Die duale Inzidenzstruktur zu $(\mathcal{P}, \mathcal{G}, I) = \mathcal{R}$ ist $(\mathcal{G}, \mathcal{P}, I^{-1}) =
\mathcal{R}^*$. (Vgl. Übungsaufgabe 16 (Duale Ebene).)
Daran schließen sich nun einige Fragen an:

Die Antwort auf die erste Frage ist NEIN, da beispielsweise das Axiom P1 nur für Ebenen aber nicht für den Raum gilt. Falls die zweite Frage bejaht würde, stellt sich eine weitere Frage:
Wenn die Aussage (A) in einer projektiven Ebene gültig ist, ist sie dann auch in der dualen Ebene gültig?


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Ellen Schramm
2000-12-14

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